Hexenkessel: Hora, Hora Mummenschanz
Bielefeld (WB). Nach der Bielefeld-Verschwörung im Film hat die Stadt jetzt auch ihr eigenes Musical. »Tanz um den Hexenkessel« vereint alles, was großes Musical-Theater ausmacht: schillernde Tanz-Tableaus, fantasievolle Kostüme, spritzige Dialoge und Musik, die mal mitreißt, mal das Herz erwärmt.
Das ist nicht selbstverständlich, bedenkt man, dass die 300 Schauspieler, Tänzer, Sänger und Musiker ausnahmslos jugendliche Laienkünstler sind. Sie haben sich vor über einem Jahr zusammengefunden, um gemeinsam ein gigantisches Projekt zu realisieren. Vor ihrem Schneid und ihrer Leistung kann man nur den Hut ziehen – und sich über beste Unterhaltung freuen.
Johanna ist neu in ihrer Klasse und wird von ihren Mitschülern gemobbt. Bei einem Ausflug zur Sparrenburg entdecken die Schüler seltsame Schriftzeichen an den Mauern. Sie beginnen eigenständig zu recherchieren und stoßen auf eine Sage, wonach eine Gräfin im Mittelalter der Hexerei beschuldigt wurde und spurlos verschwand.
Die Schüler machen sich auf die Suche und treffen im Wald nahe der Burg auf seltsame Waldwesen und Hexen, die beim Hexensabbat um einen dampfenden Hexenkessel tanzen. Die Hexe Bricka erscheint und bietet an, das Rätsel um die verschwundene Gräfin aufzuklären. Plötzlich zerspringt der Kessel und empor steigt die junge Gräfin, die die Jugendlichen ermahnt, sich für Liebe, Freiheit und Frieden einzusetzen. Ihr Appell, an das Gute im Menschen zu glauben, versöhnt die Schüler untereinander und Johanna gewinnt einen echten Freund.
In 70 temporeichen Minuten bringt die »Musical-Akademie Bielefeld« die Geschichte auf die Bühne. Unter der Regie des Alarmtheaters (Dietlind Budde, Harald Otto Schmid) nimmt das Stück in bester Musical-Manier Fahrt auf. Lebhafte und beschauliche Szenen gehen nahtlos ineinander über. Eben ging die Klasse noch über Tische und Bänke, dann herrscht gähnende Langeweile, weil Herr Diesewitz doziert und dabei eine herrliche Lehrerparodie abgibt.
Gestalten in Mönchskutten sind die stillen und unheimlichen Begleiter beim Ausflug zur Sparrenburg. Per Videoprojektion kommt altes Gemäuer auf die Bühne, wobei die hochkant gestellten Tische zur Projektionfläche werden. Das wandelbare Bühnenbild (Suzanne Austin) bezieht die neuen Medien geschickt mit ein, lässt aber auch fantastisches Flair nicht vermissen. Optische Opulenz herrscht vor allem im zweiten Akt, wenn eine Horde Hexen im Flintstone-Look die Bühne erobert.
Passend zur märchenhaften Hexenthematik kommen die Tänze (Choreografie: Ulla und Dan Agbetou) daher. Wild-ausladendes Gehopse, aber auch geschmeidig-verführerische Gesten charakterisieren das Hexenhandwerk. Mittendrin: ein Kräutermagier, der den Damen den Drink mischt und dies mit irrwitziger Freude tut.
Spannungsvolle Dialoge (Sandra Kurz) und Sololieder (Einstudierung Anette Gebauer) wechseln sich ab und werden von den Darstellern und Sängern aufführungsreif auf die Bühne gebracht. Ganz im Stile der großen Broadway-Musicals singt sich am Ende die Gräfin mit einer ohrwurmverdächtigen Ballade und untermalt vom stimmungsvollen Chorgesang in die Herzen der Zuhörer.
Überhaupt die Musik. Sie lässt aufhorchen. Komponist Johannes Strzyzewski beweist dabei viel Sinn für Emotion und Soundeffekt. Satte Bläsersätze, klingelnde Glockenspiele, ritualisierte Trommelfeuer und schwirrende Geigen lassen an Filmmusik des Fantasy-Genres denken. Aber auch Rap, Ballade und lockerer Swing, der in die Beine geht, befinden sich im Repertoire. Und die Musiker und Musikerinnen der Musik- und Kunstschule legen sich unter der Leitung von Christian van den Berg ins Zeug und fördern eine schillernde Klangfülle mit bemerkenswerter Präzision zutage.
Vorstellungen finden heute und morgen um 11 und 19.30 Uhr sowie am Samstag, 16. Juli, um 19.30 Uhr in der Oetkerhalle statt. Karten für sämtliche Aufführungen sind an der Abend- beziehungsweise Tageskasse erhältlich.
Von Uta Jostwerner und Thomas F. Starke (Fotos)